Kommunalwahl

Ortschaftsratswahl 2024

Wer und wie wird gewählt?

Um es gleich vorweg zu nehmen, es wird keine neue Ortsvorsteherin oder kein neuer Ortsvorsteher gewählt – leider herrscht hier noch immer sehr viel Unkenntnis.
Bei der Eingemeindung Tiengens nach Freiburg behielt Tiengen aufgrund der neu erlassenen Ortschaftsverfassung gewisse Rechte.
Dazu gehört auch das Recht eine Bürgervertretung zu wählen, nämlich den Ortschaftsrat. Sicherlich viele Rechte hat dieser Ortschaftsrat nicht, aber er ist nach wie vor die Vertretung der Tiengener Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Stadt Freiburg.
Am Sonntag, 09.Juni 2024 wird der Ortschaftsrat für Tiengen gewählt. Dabei hat jeder und jede soviel Stimmen wie es Mitglieder im Ortschaftsrat gibt. Das richtet sich immer nach der Anzahl der Bevölkerung. Bei ca. 3.600 Einwohnerinnen und Einwohnern stehen Tiengen 14 Ortschaftsratssitze zu – genauso viel Stimmen hat jeder Bürger und jede Bürgerin.
Mit diesen 14 Stimmen kann man nun kumulieren und panaschieren – ja – dieses Wort kommt vom Panache, also dem Gemisch aus Bier und Limonade. Genauso kann bei der Wahl vorgegangen werden.
Man kann insgesamt 14 Stimmen auf alle Wahllisten verteilen, es dürfen aber nicht mehr wie 14 sein, sonst ist der Stimmzettel ungültig.
Es ist auch möglich den jeweiligen Kandidaten oder Kandidatinnen aus den unterschiedlichen Listen insgesamt 3 Stimmen zu geben (kumulieren), aber bitte nicht mehr, sonst wird der Stimmzettel auch ungültig. Dabei gilt auch in der Summe nicht mehr als 14 Stimmen. Natürlich dürfen Sie auch weniger geben.

Zurück zur neuen Ortsvorsteherin bzw. neuen Ortsvorsteher. Die oder der wird nach der Wahl von dem neuen Ortschaftsrat gewählt, entweder aus den eigenen Reihen oder, wenn sich niemand aus dem Ortschaftsrat diesem Amt stellen will, kann auch jemand gewählt werden, der nicht dem Ortschaftsrat angehört.
Ist auch das nicht der Fall kann die Stadt Freiburg (im Einvernehmen mit dem Tiengener Ortschaftsrat) jemanden aus der Verwaltung bestellen. Eine wahrlich schlechte Lösung.
Das heißt also, der Ortschaftsrat kann nur dem Gemeinderat in Freiburg vorschlagen, wer neue Ortsvorsteherin oder Ortsvorsteher werden soll. Die letzte Entscheidung trifft immer der Freiburger Stadtrat.

Christian Geißler
Ortschaftsrat

Informationen zu

  • Ortschaftsverfassung
  • Ortschaftsrat
  • Ortsvorsteher/in

Die Ortschaftsverfassung:

Als Im Jahr 1972 die selbstständige Gemeinde Tiengen den Eingliederungsvertrag mit der Stadt Freiburg unterschrieb konnte sie dennoch in einigen Bereichen als „bedingt selbstständiger“ Ortsteil ihre kommunale Selbstverwaltung beibehalten. Möglich machte dies die sogenannte Ortschaftsverfassung, die 1970 in die Gemeindeordnung von Baden-Württemberg aufgenommen worden war.

Eine solche Ortschaftsverfassung sollte nur für räumlich getrennte Ortsteile eingerichtet werden, die eine ausreichende Bevölkerungszahl und einem erkennbaren örtlichen Eigenleben hatte. Vollzogen werden musste sie im Tiengener Fall in der Hauptsatzung der Stadt Freiburg.

Vorausgegangen war die seit 1968 laufende Gemeindereform, die mit dem Ziel angetreten war, die kleinen und leistungsschwächeren Gemeinden zu stärkeren Verwaltungseinheiten zusammen zu schließen.

Mit der sog. Ortsteilvertretung, die in der o.g. Ortschaftsverfassung aufgenommen war, wollte der Landtag von BW der Tendenz entgegentreten, dass aufgrund der Unselbstständigkeit, das ehrenamtliche Engagement in den früher selbstständigen Gemeinden nicht gehemmt wurde.

In Tiengen entschieden sich von den damals 766 wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern 88,6 % für den Anschluss nach Freiburg, nachdem Verhandlungen mit anderen am Tuniberg gelegenen Gemeinden, eine Einheitsgemeinde „Tuniberg“ zu bilden, gescheitert waren.

Was heißt das nun: „Bedingt selbstständiger“ Ortsteil?

Die Aufgaben der Ortsteile sind begrenzt und beschränken sich in der Regel auf kleinere örtliche Angelegenheiten wie die Pflege des örtlichen Grüns, die Betreuung von Friedhöfen, die Benennung von Straßen oder die Gestaltung von Spielplätzen. Größere Aufgaben werden in der Regel von der Gemeinde oder der Stadt übernommen.

Die Organe der Ortsteile sind ein Ortschaftsrat und ein Ortsvorsteher bzw. eine Ortsvorsteherin.

Der Ortschaftsrat setzt sich aus Bürgern des Ortsteils zusammen und hat eine beratende Funktion. Der oder die Ortsvorsteher/in ist in der Regel auch Mitglied des Gemeinderats oder des Stadtrats und repräsentiert den Ortsteil nach außen.

Die Ortschaftsverfassung ist eine Möglichkeit, die kommunale Selbstverwaltung auf der Ebene der Ortsteile zu fördern und die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an kommunalen Entscheidungsprozessen zu verbessern.

Wie weit diese Selbstverwaltung in Tiengen geht lässt sich am besten mit einem Blick in den Eingemeindungsvertrag erkennen. Darin heißt es u.a.

Die Stadt Freiburg i. Br. verpflichtet sich

1. im Stadtteil Freiburg-Tiengen ständig eine örtliche Verwaltung im Sinne der Nr. 25 der Zusatzvereinbarung zu unterhalten und zwar auch für den Fall, dass die Ortschaftsverfassung im Stadtteil Freiburg-Tiengen später aufgehoben werden sollte;

2. die Landwirtschaft, insbesondere den Weinbau im Stadtteil Freiburg-Tiengen angemessen zu fördern, insbesondere Flächen, die zur Zeit des Vertragsabschlusses außerhalb der im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Bauflächen liegen und landwirtschaftlich genutzt werden, nicht einer anderen Nutzung zuzuführen sowie die im Rahmen des eingeleiteten Umlegungsverfahren notwendigen Bürgschaften zu übernehmen;

4. bei der Ansiedlung von Gewerbe im Stadtteil Freiburg-Tiengen nur solche Branchen zu berücksichtigen, die keine lästigen Immissionen verursachen;

7. den Mooswald auf der bisherigen Gemarkung Tiengen in seinem derzeitigen Umfang als Erholungsraum zu erhalten;

8. b) zum Bau eines Schulzentrums im Grenzbereich Tiengen/Opfingen – wobei die Bauten zumindest teilweise auf Tiengener Gemarkung liegen müssen – in dem im Zuge der baulichen Entwicklung der Ortschaften Tiengen und Opfingen baldmöglichst weiterführende Schulen (Realschule, Progymnasium, Gymnasium) einzurichten sind.

Zur planerischen Ausgestaltung dieses Schulzentrums beiderseits der Gemarkungsgrenze sind die Ortschaftsräte Opfingens und Tiengens zu hören.

c) zur Verwirklichung dieser Schulplanung die Entwicklung Tiengens im Einvernehmen mit dem Ortschaftsrat zu fördern;

d) im Bereich des Schulzentrums in angemessenem Rahmen Räume für die Jugend- und Erwachsenenarbeit zu schaffen.“

Auch wenn gewissen Bestrebungen im Stadtrat von Freiburg nachgegeben werden sollten, die Ortschaftsverfassung abzuschaffen, so ist das recht schwierig, denn gegen den Willen des Ortschaftsrates ist das nicht möglich.

Aber auch wenn dieser Fall eintreten würde, bliebe eine örtliche Verwaltung aufgrund des Eingliederungsvertrages bestehen.

Der Ortschaftsrat

Die Aufgaben des Ortschaftsrats sind in der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg geregelt. Die Ortschaftsräte sind dem jeweiligen Gemeinderat (Stadtrat) untergeordnet und sind eine wichtige Schnittstelle zwischen den lokalen Anforderungen und der übergeordneten Gemeinde. Ihre Aufgabe ist es, den Interessen und Bedürfnissen der Bürgerschaft im Ortsteil Gehör zu verschaffen und diese in die Entscheidungen des Gemeinderates einfließen zu lassen.

Der Ortschaftsrat hat zum einen ein allgemeines Beratungsrecht. Er kann sich hierbei mit allen Angelegenheiten befassen, die in den Aufgabenbereich der örtlichen Verwaltung liegen.  In diesem Zusammenhang kann er Empfehlungen aussprechen. Diesen kommt jedoch keine Bindungswirkung zu.

Zum anderen hat der Ortschaftsrat ein Anhörungsrecht. Das bedeutet, dass der Tiengener Ortschaftsrat zu bestimmten Angelegenheiten, die in der Hauptsatzung der Stadt Freiburg festgelegt sind, eine Stellungnahme abgeben soll. Eine endgültige Entscheidung wird jedoch vom städtischen Gemeinderat getroffen.

Gegenstand der Anhörung sind die wichtigen Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen. Mit den wichtigen Angelegenheiten sind dabei solche Angelegenheiten gemeint, die auf das örtliche Gemeinschaftsleben erhebliche Auswirkungen haben und für die Ortschaft von besonderer Bedeutung sind.

In der Hauptsatzung der Stadt Freiburg werden die Aufgaben des Tiengener Ortschaftsrates folgendermaßen formuliert (Ausschnitte):

„(1) Der Ortschaftsrat hat die örtliche Verwaltung zu beraten.

(2) Er hat ein Vorschlagsrecht in allen Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen.

(3) Der Ortschaftsrat ist zu wichtigen, die Ortschaft betreffenden Angelegenheiten zu hören. Wichtige Angelegenheiten sind unter anderem

1. die Veranschlagung von Haushaltsmitteln für alle Angelegenheiten der Ortschaft;

2. die Errichtung, Erweiterung, Einschränkung oder Aufhebung von Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen;

4. die Aufstellung von Bauleitplänen;

5. die Versorgung mit Strom, Gas, Wärme und Wasser sowie durch den öffentlichen Personennahverkehr;

6. der Bau und die Unterhaltung von Straßen und Wirtschaftswegen;

7. der Fortbestand der örtlichen Verwaltung;

Und weiter heißt es:

Der Ortschaftsrat entscheidet selbständig an Stelle des Gemeinderats in folgenden Angelegenheiten der Ortschaft über die

Förderung der örtlichen Vereine;

die Pflege des Ortsbildes und

die Benennung öffentlicher Straßen, Wege und Plätze.

Außerdem hat der Ortschaftsrat ein Vorschlagsrecht in „allen Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen“. Durch dieses Vorschlagsrecht hat der Ortschaftsrat die Möglichkeit, selbst die Initiative zu ergreifen und seine Anregungen an das zuständige Gemeindeorgan zu richten, aber auch die Möglichkeit selbstständig tätig zu werden.

So ist z.B. die geplante Jugendhütte eine Initiative des Ausschusses „Kinder, Jugend und Vereine“, dafür wurden in den kommenden Haushaltsplan von Freiburg 120.000, — € aufgenommen.

Auch haben einige Ablehnungen von Bauvorhaben, obwohl sie genehmigungsfähig waren, Früchte getragen, indem die Bauherren selbst die Pläne änderten.

Sicherlich sind die Aufgaben des Ortschaftsrates begrenzt, aber kommunalpolitscher Wille und aktive Initiative sind möglich und umsetzbar. Viele Beispiele haben das in den letzten Jahren gezeigt.

Der Ortvorsteher bzw. die Ortsvorsteherin:

Für die bessere Lesbarkeit wird im folgenden Text für den Ortsvorsteher nur die männliche Form benutzt.

Für das Funktionieren der Ortschaftsverfassung hat der Ortsvorsteher vielfältige Aufgaben und Zuständigkeiten. Insbesondere muss er in der Lage sein sowohl zwischen der Ortschaft (Tiengen) und der Gesamtgemeinde (Stadt Freiburg) als auch zwischen den Einwohnerinnen und Einwohnern und dem jeweiligen Ortschaftsrat die unterschiedlichen Interessen auszugleichen. In dieser Funktion vertritt er den Oberbürgermeister bei dem Vollzug der Beschlüsse des Ortschaftsrats und bei der Leitung der örtlichen Verwaltung.

Bei der Wahrnehmung dieser Stellvertretung als Leiter der der Ortschaftsverwaltung hat er keine Zuständigkeit zur Sachentscheidung. Er ist „nur“ für den ordnungsgemäßen Ablauf der Verwaltung und die sachgemäße Erledigung der anfallenden Aufgaben verantwortlich.

Der Ortsvorsteher vertritt die Ortschaft und besonders die Beschlussfassungen des Ortschaftsrates im Gemeinderat. Aus diesem Grund kann er an den Verhandlungen des Gemeinderats und seiner Ausschüsse beratend teilnehmen. Dabei muss er aber beachten, dass sich die Entscheidungen des Ortschaftsrates nicht nur an den Bedürfnissen und Wünschen der Ortschaft, sondern auch an den Gesamtinteressen der Gemeinde (Stadt Freiburg) zu orientieren haben.

Der Ortsvorsteher wird zwar vom Ortschaftsrat gewählt, die endgültige Entscheidung hat aber der Gemeinderat (Stadtrat) und muss von diesem bestätigt werden. Als Vorsitzender des Ortschaftsrates bereitet er für die jeweiligen Sitzungen die Tagesordnung vor. Mit Beginn der Sitzung aber kann der Ortschaftsrat die Tagesordnung ändern und ergänzen oder die Reihenfolg ändern.

Weiterhin ist der Ortsvorsteher (oder auch „Ortsversteher“) Ansprechpartner für Bürger, Ortschaftsräte, Vereine und andere Gruppierungen der Ortschaft. Daraus ergeben sich eine Fülle von Aufgaben und Möglichkeiten, gestaltende Initiativen zu ergreifen. Er ist – und nicht einzelne Ortschaftsräte – als Repräsentant der Ortschaft Vertrauensperson und somit Ansprechpartner für persönliche Anliegen und Probleme der Bürger. Insofern verwundert es nicht, dass er manchmal noch immer mit „Bürgermeister“ angesprochen wird.

Die Beratung der Bürger und Bürgerinnen verläuft nicht immer ohne Probleme, kann es doch leicht zu Differenzen zwischen einzelnen Bürgerinnen und Bürger, aber auch unter Umständen mit den Gemeindeorganen kommen. In einem solchem Fall empfiehlt es sich, den vorgetragenen Sachverhalt sogfältig zu prüfen und der Verwaltung in der Stadt mit der Bitte um Abhilfe oder um Stellungnahme vorzulegen.

Ortskenntnis und persönliche Kontakte helfen dabei, auch komplexe Bauplanungen oder Dorfentwicklungsmaßnahmen voranzubringen. Dazu ist es notwendig, dass der Ortsvorsteher Einzelgespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern durchführt und auch Hilfestellung bei einer eventuellen Antragsbearbeitung leistet.

Fazit: Er (der Ortsvorsteher) kennt viele und viele kennen ihn, aber auch nicht alle. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile. Daher muss er immer um seine Unabhängigkeit bemüht sein, um jedem und jeder gerecht zu werden.

Christian Geißler
Ortschaftsrat

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